Es war schon beeindruckend, wie die türkischstämmige Autorin Bahar Aslan im Restaurant „Ela“ aus ihrem Buch „Die haben gedacht, es waren wir“ las. Studiert hat sie Englisch, Sozialwissenschaften und Politik, sie unterrichtet an einer Schule. Die Anschläge durch rechtsextreme Terroristen und der Umgang der Justiz, der Polizei und des Verfassungsschutzes mit dem Thema brachten sie dazu, sich publizistisch damit auseinanderzusetzen. Die Lesung war Teil der interkulturellen Woche.
Als Grundschülerin erfuhr Aslan an einem warmen und sonnigen Tag von einem Attentat auf ein Hotel in der Türkei, und damit das erste Mal die Grausamkeit von Terrorismus. Niemand griff dort ein, um zu helfen. Warum? An diesem Mittag erzählten ihr die Eltern, dass sie und ihre Familie zur türkischen Minderheit der Aleviten gehören und deshalb ausgewandert sind. Sie selbst ist in Deutschland geboren, fühlt sich als Deutsche.
Daher hat sie das gesamte Geschehen um den NSU-Prozess so sehr beschäftigt und mitgenommen. Denn lange wurde nur in die Richtung ermittelt, dass es sich doch wohl um Rivalität von Türken untereinander handle, dass die Täter von dort kommen mussten. Rücksichtslos gingen die ermittelnden Polizisten mit den Opferfamilien um, zeigten in der familiären Umgebung Bilder herum, fragten nach möglichen Hintergründen. Irgendwie konnte keiner sich vorstellen, dass in Deutschland ein derartiger Rechtsextremismus existiert.
Erst im Rahmen ihrer eigenen Recherchen stellte sie fest, dass es in der Gesellschaft ein Problem gibt, Rassismus zu sehen. Dies habe schon der Anschlag von Solingen gezeigt. Die Entdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds habe sie mit aller Wucht getroffen, berichtete sie am Mittwoch. Und im Laufe des Prozesses stellte sich immer mehr heraus, dass der Verfassungsschutz teilweise versagt, aber auch Dinge vertuscht habe. Akten verschwanden, die Taten wurden auf die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und vier Mittäter reduziert. Hinzu kam, dass Zschäpe sich im Prozess immer wieder selbst als Opfer darstellte.
Viele Menschen hätten nach wie vor Fragen zum Prozess
Unklar bleibt bis heute, welches Wissen der Verfassungsschutz überhaupt hatte. Und das, obwohl es rund 40 Verbindungsmenschen zu den Tätern gab. Auch deren Aussagen fanden im Prozess wenig oder gar keine Beachtung. Bei Aslan und vielen anderen Migranten bleiben immer noch Fragen offen. Warum es so lange dauerte, bis die Ermittlungen sich gegen rechts richteten, zum Beispiel. Für sie ist der Prozess ein Spiegelbild dafür, wie viel Ignoranz und Diskriminierung in Deutschland herrschen.
Angst macht ihr, dass es derzeit in vielen Bereichen wie Polizei, Verfassungsschutz und Bundeswehr teilweise offen bekannte rechtsextreme Strukturen gibt. Und dies ausgerechnet bei den Institutionen, von denen sich Bürger eigentlich Schutz erwarten.
Die anschließende Diskussion zeigte, dass die rund 20 Besucher nicht nur äußerst interessiert waren, sondern sich bereits im Vorfeld mit der Frage auseinandergesetzt hatten. Nein, Angst habe sie keine, sich öffentlich dazu zu äußern, sagte Aslan. Dann könnte sie solche Veranstaltungen gar nicht machen. Das Erlebte und die Beschäftigung damit sei nun einmal Teil ihrer Biographie.
Bereits zur Begrüßung hatte Organisator Jeyaratnam Caniceus darauf hingewiesen, dass es allein zwischen 1990 und 1997 eine hohe Anzahl von Menschen gab, die durch rechtsextreme Taten starben.