Vor wenigen Tagen verhängte Kempens Kämmerer Jörg Geulmann eine Haushaltssperre, jetzt kamen die Fraktionsvorsitzenden zum Krisengespräch zusammen. Die Aussichten sind alles andere als rosig.
In Kempen haben sich die Vorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Fraktionen am Mittwoch darauf geeinigt, einen Arbeitskreis zu installieren, der sich mit der Konsolidierung des städtischen Haushalts beschäftigen soll. Im Oktober will der Arbeitskreis voraussichtlich erstmals zusammenkommen, die Verwaltung will Vorschläge machen, in welchen Bereichen man möglicherweise Geld einsparen oder auch weitere Einnahmen generieren könnte. Dabei geht es nicht nur um das laufende Jahr, sondern auch um das kommende. Denn schon im Dezember soll der Haushalt für 2025 eingebracht werden. Dann könnte sich das angenommene Defizit, das Kämmerei und Politik derzeit umtreibt, noch einmal vergrößern.
Die Aussichten sind alles andere als rosig. Als der Haushalt 2024 im Frühjahr verabschiedet wurde, ging man noch von einem Defizit von 11,4 Millionen Euro aus. Aktuell rechnet die Kämmerei aber mit einer deutlichen Verschlechterung. Während Ausgaben weiter steigen, auch aus den Ämtern zuletzt Mehrbedarfe angemeldet wurden, die so im Haushalt noch nicht eingepreist waren, drohen die Einnahmen geringer auszufallen als geplant, etwa beim Anteil an der Einkommensteuer wie auch bei der Gewerbesteuer. Mit Blick auf die Prognosen zog Kämmerer Jörg Geulmann vor wenigen Tagen die Reißleine und verhängte eine Haushaltssperre. So lange sie gilt, können Ausgaben nur noch für Dinge getätigt werden, zu denen die Kommunen rechtlich oder vertraglich verpflichtet ist oder die nötig sind, um das laufende Geschäft der Verwaltung sicherzustellen. Alles andere wird hintenan gestellt und hängt im Einzelfall davon ab, ob der Kämmerer grünes Licht gibt.
Am Mittwoch informierte Geulmann nun die Fraktionsvorsitzenden über den Stand der Dinge. Laut Prognose fällt das Defizit um acht Millionen Euro höher aus. Heißt: Kempen fehlen rund 20 Millionen Euro. „Über acht Millionen Euro in der Summe ist natürlich dramatisch“, sagt Geulmann. Gleichwohl handele es sich um eine Prognose, betont der Kämmerer, das dürfe man nicht vergessen. Die Zahlen entwickelten sich dynamisch, „wir werden sie im Auge behalten und monatlich schauen, ob wir die Haushaltssperre lockern können oder gar verschärfen müssen.“
Für SPD-Partei- und Fraktionschef Stefan Kiwitz kommt die aktuelle Entwicklung keineswegs überraschend. So habe er schon in seiner Haushaltsrede im Frühjahr auf die Risiken hingewiesen, die jetzt zur Haushaltssperre führten. Immer wieder habe seine Fraktion zudem Anträge gestellt, um zu warnen und gegenzusteuern, „wir wurden ausgelacht“, sagt Kiwitz. Nun müsse man sehen, was man tun könne, um eine Haushaltssicherung zu vermeiden. Das sieht Jochen Herbst, Fraktionsvorsitzender der CDU, ebenso, „sonst haben wir überhaupt keinen Spielraum mehr.“ Insofern sei die Haushaltssperre richtig, sie zwinge zu Disziplin.
Kämmerer Jörg Geulmann appelliert an die Politik, an einem Strang zu ziehen: „Wir kriegen das nur gemeinsam hin, im Schulterschluss für Kempen.“ Das erwartet auch Bernhard Lommetz, FDP-Fraktionschef, von den Ratsmitgliedern. Er warnt mit Blick auf die anstehenden Wahlen vor politischen Auseinandersetzungen. Natürlich sei es unpopulär zu überlegen, was sich die Stadt noch leisten könne. Doch das Thema sei zu wichtig. Schließlich gehe es nicht nur um 2024, sondern auch um die mittelfristige Finanzplanung, also die nächsten fünf Jahre. Lommetz: „Wenn wir da nicht substanziell eingreifen, können wir vielleicht den Wahlkampf retten, aber 2026 holt uns das alles wieder ein.“ So sieht es auch Jeyaratnam Caniceus (ÖDP): „Wir würden uns wirklich wünschen, dass alle das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten. Natürlich ist das keine glückliche Situation, aber wir müssen da durch.“
Er sei gespannt, wie sich die weiteren Einnahmeprognosen entwickelten, sagt Rene Heesen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. So ganz schlecht gehe es Kempen nicht, schließlich habe die Stadt momentan die höchste Eigenkapitalquote aller Zeiten, „wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen.“ Da viele Städten und Gemeinden finanziell klamm sind, hofft Kämmerer Geulmann darauf, dass das Land unterstützt. Das erwartet auch Heesen: „Ich gehe davon aus, dass es weitere Bilanzierungshilfen gibt.“
Info
Was ist eine Haushaltssperre?
Eine Haushaltssperre wird von der Verwaltung erlassen, wenn die Entwicklung der Erträge oder Aufwendungen so stark von der Planung abweicht, dass der Haushaltsausgleich ohne Sperre gefährdet erscheint.
Für die Zeit der Sperre dürfen dann bestimmte Aufwendungen nicht getätigt werden, obwohl sie im Haushaltsplan stehen. Nicht gesperrt werden können Aufwendungen, zu denen die Kommune rechtlich oder vertraglich verpflichtet ist.