Im Dezember hatte Kämmerer Jörg Geulmann den Haushaltsplanentwurf für 2021 eingebracht. Dann hatten die Fraktionen Zeit, intern und schließlich in den Ausschüssen zu beraten und Änderungen vorzunehmen. Am Donnerstagabend sollte es dann soweit sein und die sechs im Rat vertretenen Fraktionen sowie die beiden fraktionslosen Ratsmitglieder ihre Ansichten mitteilen.
Doch wegen Corona gab es ein anderes Vorgehen, so verzichteten die Fraktionen, bis auf SPD, Grüne und ÖDP/Linke, auf ihre Rede und stellten sie stattdessen ins Ratsinformationssystem auf der Homepage der Stadt (
www.kempen.de). Weshalb die WZ im Vorfeld alle Fraktionen gebeten hat, ihre Reden per E-Mail an die Redaktion zu senden, damit die Leser zeitnah umfassend informiert werden können. In allen Reden war die Sorge über die Auswirkungen von Corona, vor allem mit Blick auf die Zukunft, und die Möglichkeit, dass Kempen in eine Haushaltssicherung (HSK) rutschen könnte Thema (die WZ berichtete). Das Ergebnis der Abstimmung vorweg: Der Haushalt 2021 wurde angenommen – wenn auch bei einigen Fraktionen mit Bedenken. Von der Bürgerinitiative Kempen kam ein Nein. Getagt wurde am Donnerstag in der Aula des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums.
CDU-Fraktionschef
Jochen Herbst formuliert, wenn Kempen auch 2021 mit einem geplanten Defizit von ca. 7,8 Millionen Euro und durch einen Griff in die Rücklage um eine Haushaltssicherung herumkomme, müsse das durch Corona bedingte Minus von 3,5 Millionen Euro ab 2025 ausgeglichen werden. Weshalb Steuern moderat erhöht werden müssten, auch um die vielen notwendigen Projekte im Bereich Schule, Kita und Bauen zu verwirklichen. Dafür seien wichtige Stellen in der Verwaltung geschaffen worden, die jedoch wiederum den Haushalt belasteten. Bedauerlich sei der Mangel an Flächen fürs Gewerbe. Mit der Entwicklung an der Hülser Straße mache man einen Schritt in die richtige Richtung. Der Masterplan Klimaschutz müsse weiter umgesetzt werden. Den 1. August nannte
Herbst als spätesten Termin, an dem die Kita im Kempener Westen öffnen sollte. Dank des Medienkonzeptes sei man digital auf „einem guten Weg“. Die Machbarkeitsstudie zum Schulcampus, so sei er sicher, werde zeigen, „dass wir mit der Verlagerung des Ludwig-Jahn-Sportplatzes und einer Neuausrichtung und Weiterentwicklung des Sportzentrums ein tolles Sportzentrum anbieten können.“„Krisenkommunikation scheint das Gebot der Stunde und ist ein Kunststück eigener Art.
Einerseits gilt es, den panikschürenden Alarmismus zu vermeiden, der sich verbraucht und keine Eskalationsstufen kennt und auf der anderen Seite Perspektiven für ein ,von hier an anders’ zu entwickeln“, heißt es in der Rede von Grünen-Fraktionschef
Joachim Straeten. Das hätte ihm bei der Haushaltsrede des Kämmerers gefehlt. Kempen stünde aber noch gut da. Vieles hätte in den letzten Monaten noch eingebunden werden müssen, wie „einen Stellenplan, der sich seit dem Dezember 2020 auch noch mal sehr dynamisch entwickelt hat“. Es sei mit der Verwaltung „eine Konsolidierungsliste mit Augenmaß“ entwickelt worden, um einer möglichen Haushaltssicherung vorzubeugen. Wohnen bleibe das wichtigste soziale Thema, auch in Zukunft. Für den Kempener Westen schlagen die Grünen einen Architektenwettbewerb vor. Und für den St. Huberter Markt das Förderprogramm für eine Integrierte Stadtentwicklungspolitik (ISEK), um diesen „aufenthaltsfreundlichen Ortskern nachhaltig weiter zu entwickeln“.
Doch auch der Ausbau von Kitas dürfe nicht aus den Augen gelassen werden. Vor allem dem Thema bezahlbarer Wohnraum müsse mit mehr Druck nachgegangen werden, betont SPD-Fraktionschef
Andreas Gareißen. Ansonsten lässt er am Haushaltplanentwurf kaum ein gutes Haar: Nicht nachvollziehbare Zahlen und Stellenplan, unbeantwortete Fragen der Fraktion an die Verwaltung, zu wenig Zeit, die immer wieder geänderten Vorschläge zu diskutieren, waren nur einige der Vorwürfe. Zu viele Punkte, um dem Haushalt eigentlich nicht zu zustimmen, so
Gareißen. Warum die SPD-Fraktion dies nicht tue? „Weil wir erkennen, dass der Wille da ist, endlich etwas zu verändern.“
Den will die SPD bei Bürgermeister
Christoph Dellmans (parteilos) erkennen, der mit der Unterstützung von u.a. SPD und Grünen zur Wahl im vergangenen September angetreten ist. „Den Stellenplan als Anlage zum Haushalt 2021 lehnen wir ab“, so Gareißen. FDP-Fraktionschef
Bernd Lommetz zeigt sich enttäuscht von den geringen Einsparungen (knapp fünf Prozent) bei den Verwaltungstätigkeiten, während die Gebühren- und Steuererhöhungen rund 95 Prozent ausmachten. „Wir lehnen daher eine Grundsteuer B Erhöhung ab“, so
Lommetz. Er freue sich, dass geplant sei, mehr Investitionen im Bereich Bildung und Digitalisierung zu tätigen. Und: „Der Schulneubau der Gesamtschule, der Neubau von drei Kitas, als auch der Medienentwicklungsplan zeigen in die richtige Richtung. In Richtung Burg und künftige Aufgaben, wie die Sanierung des Rathauses am Buttermarkt, fragte er, ob alles in der Verantwortung der Stadt liegen müsse und ob auch kleinere Lösungen möglich seien. Weshalb er eine Priorisierung von Projekten fordere.
Der stellvertretende FWK-Fraktions-Chef
Georg Alsdorf sieht viele gute Ansätze in den Plänen, wie bezahlbarer Wohnraum durch die GWG, der ausgeweitet werden sollte, wie die Baupläne für die Orbroicher Straße in St. Hubert und im Kempener Westen, aber auch eine neue Tennishalle und das Hotel auf dem Schwimmbadgelände. Für den Bau des Schulcampus sollten „die Bagger schnell rollen“, so
Alsdorf. Auch die Verlagerung des Ludwig-Jahn-Platzes an die Berliner Allee liegt den Freien Wählern am Herzen. „Steuererhöhungen bei der Grundsteuer A und B sind unvermeidbar“, schreibt er, vor allem, um den Haushalt zu konsolidieren, wie auch Einsparungen bei den Personalkosten.„Kempen neu Denken und Handeln“ will auch die ÖDP-Linke,wie Fraktionschef
Jeyaratnam Caniceus mitteilt.
Themen, die bewältigt werden müssten, seien u.a. Klimaerwärmung, fehlender bezahlbarer Wohnraum, die zunehmende rechte Gewalt, struktureller Rassismus, mangelnde Integration, demographischer Wandel und Fachkräftemangel. Er schlug ebenfalls einen Architektenwettbewerb für den Kempener Westen vor. Enttäuscht zeigte er sich von der ablehnenden Haltung der Verwaltung, „mindestens 50 Prozent der Einnahmen, die die Stadt durch die Ahndung von Corona-Verstößen generiert, der zusätzlichen Bildung, Kultur- und Sportförderung von Kindern aus einkommensschwachen Familien zuzuführen“.
Die Bürgerinitiative Kempen sei angetreten, bei allen Themen Kempen „neu zu denken“, steht in der Rede von
Stefan Ditzen (BiiK). Er kritisiert die Ausgabe für Personal und befürchtet wegen Corona eine Insolvenzwelle, die Kempen noch erreichen werde und auf die der Haushalt nicht eingerichtet sei. Zudem spricht er sich für den Erhalt des Ludwig-Jahn-Sportplatzes aus. Und für Prioritäten, die gesetzt werden müssen, „die aber auch die ökologischen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft berücksichtigen.“ Er sehe diese Ansätze nicht, weshalb er den Haushalt ablehne. Jeder wisse von den massiven Steuerausfällen durch Corona, „die aus meiner Sicht nicht ausreichend berücksichtigt wurden“, so der Vorwurf von
Peter Müller (AfD) . Auch fehle ihm der Glaube an den Erfolg von Elektroautos, die für die Stadtwerke angeschafft werden sollen. Das sei ein rein politisches Projekt. Als Sondermüll würden die Wagen mehr Kosten als Nutzen verursachen.
Müller: „Maßnahmen und Investitionen sollten also weniger auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft werden, sondern auf deren Folgen für die Umwelt und nicht zuletzt für die Bürger.“