Jeyaratnam Caniceus
Mitglied der ÖDP
Ratsherr der Stadt Kempen

 

Als Amerikaner den Niederrhein besetzten
von Rheinsche Post -Leo Peters und Andreas Reiners
29.02.20     Klicks:27144     A+ | a-
Bild: aus Ludwig Hügen, Der Krieg geht zu Ende
Bild: aus Ludwig Hügen, Der Krieg geht zu Ende
Im damaligen Kreis Kempen-Krefeld war der Zweite Weltkrieg zwei Monate früher beendet.
Am kommenden Montag, 2. März, jährt sich zum 75. Mal in Kempen der Tag, an dem der Zweite Weltkrieg und damit die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten zu Ende ging. Die Stadt Kempen lädt für Montag, 19 Uhr, zu einer Gedenkveranstaltung im Rokokosaal des Kulturforums Franziskanerkloster an der Burgstraße 19 in Kempen. Dort hält der Kempener Historiker Hans Kaiser einen Vortrag, in dem er der Frage nachgeht, was das Kriegsende für die Stadt und seine Bürger bedeutete. Als Zeitzeugen werden auch Alt-Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns (90) und Erich Wüllems zu Wort kommen. Der heute 92-jährige Wüllems absolvierte damals als 16-Jähriger eine Ausbildung bei der AOK in Kempen. Schließlich spricht der fraktionslose Ratsherr Jeyaratnam Caniceus. Ihm ist es zu verdanken, dass die Gedenkfeier zustande kommt. Denn Caniceus, der selbst aus Sri Lanka stammt und seit vielen Jahren in Kempen lebt, hatte die Idee dazu. Er selbst wird das Schlusswort sprechen, indem er auch seine Sorgen als Bürger mit Migrationshintergrund zur Sprache bringen will. „Unter den Menschen mit Migrationshintergrund herrscht große Unsicherheit. Ich möchte nicht zum zweiten Mal Fremder im eigenen Land sein“, sagt er.

Im Folgenden veröffentlichen wir einen Beitrag des Nettetaler Historikers Leo Peters für unsere Serie. Peters beschreibt darin das Kriegsende im heutigen Kreis Viersen:

Der Frühlingsmonat März 1945 war gerade einmal 15 Stunden alt, als eine Panzergruppe der 35. Division des XVI. amerikanischen Korps von Wildenrath kommend und nach kurzem deutschen Widerstand zwischen Elmpt und Brüggen die Grenzstadt Kaldenkirchen erreichte. Ziel war die Stadt Venlo, die also nicht von Westen, sondern aus östlicher Richtung von der deutschen Wehrmacht befreit wurde.

Menschen bekamen die Amerikaner in Kaldenkirchen zunächst nur wenige zu sehen. Die kleine Grenzstadt war am 24. November 1944 evakuiert worden, zwangsgeräumt. Die Einwohner verschlug es zu großen Teilen nach Aschersleben und Derenburg am Rand des Harzgebirges. Nur noch wenige hielten sich illegal im Ort auf. Jene, die außerhalb der „Abschirmlinie“, in Dülken, Süchteln oder Oedt zum Beispiel meist bei Verwandten untergekommen waren, kehrten rasch zurück. Bei den ins Harzgebiet gebrachten Bewohnern sollte es noch Wochen und Monate dauern, ehe sie ihre Heimat wieder erreichten. Die Verwaltung des Ortes, jedenfalls das, was davon noch übrig war, handelte vorübergehend von Breyell aus. Die Feuerwehr war nach Lank evakuiert worden. Wichtigster Ort der amtlichen Kommunikation unter alliierter Besatzung waren wochenlang die Gottesdienste, in denen unter anderem verkündet wurde, dass das „Herumstehen von 5 und mehr Personen“ verboten und als Versammlung gewertet würde.

Am 2. März schlug sogar General Simpson, der Oberbefehlshaber der 9. US-Armee, für einige Tage seinen Gefechtsstand in Kaldenkirchen auf. Doch das Wichtigste für Kaldenkirchen war: Zwei Monate vor der Gesamtkapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 war hier der Krieg zu Ende. Das Leben, geprägt von Bombenangriffen, von endlosen Stunden in Kellern und Bunkern, von bis zum Ende herrschender Angst vor fanatischen Nazis war vorbei, auch wenn Elend und heftigste Alltagssorgen die Bewohner bedrückten.

Hinter den Menschen im heutigen Kreis Viersen lag der dramatische Monat Februar 1945, der für die Amerikaner zu den verlustreichsten des Zweiten Weltkrieges überhaupt gehörte. Im Osten des Kreises bei Schiefbahn kam es zu einer letzten erbitterten Panzerschlacht zwischen Deutschen und Amerikanern. In der „Operation Grenade“ stieß die 9. US-Armee nach Überquerung der Rur zwischen Neuss und Rheinberg zum Rhein vor. Der zwischen dem 22. Februar und dem 11. März bei heftigem deutschen Widerstand stattfindende mühsame Siegeszug der Amerikaner war entsetzlich verlustreich. Nach amerikanischen Angaben verloren bis zu 7300 amerikanische Soldaten ihr Leben, 30.000 deutsche gerieten in Gefangenschaft, 6000 fielen. Ebenfalls am 1. März wurde Mönchengladbach von einem Regiment der 29. US-Infanteriedivision eingenommen. Am selben Tag erreichte die 2. US-Panzerdivision auch den Stadtrand von Krefeld.

Ganz schlimm war zuvor der Monat Februar 1945 auch für die Kreis­stadt Kempen gewesen. Zur reichhaltigen Literatur über die letzte Kriegsphase am Niederrhein gehört besonders die umfänglich recherchierte Darstellung der Ereignisse in Hans Kaisers zweitem Band „Kempen unterm Hakenkreuz“. Detailreich, mit vielen Zeugenaussagen und mit Luftaufnahmen alliierter Provenienz hat er Kempens schwärzesten Tag, den 10. Februar 1945, dargestellt. Der Blutzoll dieses Luftangriffs war hoch. Statt vieler Einzelheiten sei ein Totenzettel zitiert, der für die ausgelöschte Bäckersfamilie Lintermanns von der Ellenstraße in Kempen gedruckt wurde, und das Leid in Worte fasste. Ums Leben gekommen waren die Eheleute Karl und Sophia Lintermanns und ihre drei Kinder Maria Theresia (19), Irmgard (17) und Alexe (14): „Sie alle bildeten eine traute, einander in Liebe und Güte ergebene Familiengemeinschaft, die in den Aufgaben ihres Berufes, in der Pflege echten Familiensinnes, im Erweis gegenseitiger Liebe und Ehrfurcht in guten und sorgenvollen Tagen zueinander stand. Mit rauer Hand griff der Tod in dieses Glück hinein: Als Opfer des Luftangriffes auf Kempen am 10. Februar 1945 gingen sie miteinander in die Ewigkeit, wohl vorbereitet und gerüstet mit den stets geübten Tugenden eines christlichen Lebenswandels.“ Nur der Sohn und Bruder Karl Herbert war als Flakhelfer im Osten dem Angriff entgangen.

Ein letzter Luftangriff auf Kempen wurde am Morgen des 2. März 1945 geflogen. Schwer getroffen wurde die an Kunstschätzen so reiche Propsteikirche. Kempen stand unmittelbar vor der Übernahme durch die Amerikaner.

INFO
Zweites Buch zur Serie erschienen

Unter dem Titel „Der Niederrhein. Schauplatz europäischen Geschichte“ ist ein zweites Buch mit Beiträgen des Historikers Leo Peters aus der Serie der Rheinischen Post erschienen. Das Buch ist im örtlichen Buchhandel für 25 Euro erhältlich. Man kann es auch unter www.shop.rp-online.de bestellen.


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