In einer emotional aufgeladenen Sitzung des Rates blieben CDU und FDP bei ihrem Nein zur Ausrufung des Notstands. Stattdessen soll nun in Workshops ein Masterplan erarbeitet werden.
Die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause war eine besondere. Allerdings nicht wegen des Ergebnisses bei der Abstimmung zur Ausrufung des Klimanotstands. Wie angekündigt, votierten CDU und FDP mit 23 Stimmen gegen diese Ausrufung, die mehrere Bürger – unter anderem die „Fridays for Future“-Bewegung – beantragt hatten. Dafür stimmten SPD, Grüne, Linke, Freie Wähler und der fraktionslose Jeyaratnam Caniceus. Statt des Klimanotstands soll es in Kempen nun einen „Masterplan Klimaschutz“ geben. Diesem Antrag der CDU schlossen sich FDP und Caniceus an. In Workshops sollen Experten, Verwaltung, Politiker und Vertreter der Klimaschutz-Bewegungen an einen Tisch gerufen werden, um konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz vor Ort ergreifen zu können.
Tosender Applaus für einen Beitrag einer jungen Aktivistin
Besonders war die Sitzung vor allem wegen des großen Besucherandrangs. Alle Plätze im Ratssaal waren belegt. Zahlreiche Jugendliche der „Fridays for Future“-Bewegung erlebten die Debatte. Eine von ihnen, die 19-jährige Lizzy Aumeier, verdeutlichte in einem Redebeitrag die Hintergründe des Antrags. Den jungen Menschen sei bewusst, dass man mit der Ausrufung des Notstands in Kempen nicht das Klima retten könne – aber es wäre ein Schritt. „Und wenn keiner diesen Schritt wagt, wird sich auch nichts ändern“, so Aumeier, die für ihre Stellungnahme tosenden Applaus bekam.
Aus den Reihen der Fraktionen machte Joachim Straeten für die Grünen den Anfang in der Debatte. Seine Fraktion hatte auch einen Antrag mit konkreten Maßnahmen gestellt, der später wie die Bürger-Anträge abgelehnt wurde. „Es geht nicht mehr darum – wie in der Verwaltungsvorlage dargestellt – zunächst Informationen und wissenschaftliche Kenntnisse für den erforderlichen Abwägungsprozess zusammenzutragen, darüber sind wir schon lange hinaus“, so Straeten. „Es geht darum aus dem quälend langsamen Prozess in ein schnelles Handeln und Umsetzen zu kommen, wobei die Einrichtung eines Workshops ein zu langsames Instrument ist.“
Die Ausrufung des Klimanotstands, die schon andere Städte (u.a. Krefeld, Tönisvorst, Köln und der Kreis Viersen) umgesetzt haben, ist laut Straeten zunächst ein Bewusstseinswandel. Der Begriff habe eine symbolische Wirkung und solle zeigen, dass „wir in Kempen die Probleme des Klimawandels ernst nehmen“, so Straeten.
SPD-Chef Gareißen sieht die Ausrufung als Zeichen
Für die SPD machte Fraktionsvorsitzender Andreas Gareißen deutlich, dass es darum gehe, ein Zeichen zu setzen. „Wir schlagen hier keine Pflöcke ein und unterschreiben auch keine Verpflichtungen“, so der Sozialdemokrat. Das Zeichen sei ein Startschuss für die konkrete Arbeit für den Klimaschutz in Kempen. „Von daher kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wieso man diesem Antrag nicht zustimmt“, so Gareißen.
CDU und FDP haben Probleme mit Symbolik und Begriff
Wie schon in einer Pressemitteilung am Montag versuchte Fraktionschef Wilfried Bogedain die Position der CDU zu verdeutlichen. Die CDU stehe zwar vollständig hinter den Zielen der Resolution, die unter anderem von der „Fridays for Future“-Bewegung initiiert worden sei. Angesichts der klimatischen Veränderungen müssten Verwaltung und Politik handeln. Mit der Ausrufung des Klimanotstands werde man diesen Ansprüchen aber nicht gerecht. Statt eines Lippenbekenntnisses wolle sich die CDU im „Masterplan Klimaschutz“ um konkrete Maßnahmen kümmern, die man in Kempen vor Ort entwickeln und umsetzen könne. Trotz der Ablehnung des Notstands versuchte Bogedain die jungen Aktivisten dazu zu bewegen, sich an der Erarbeitung dieses Masterplans zu beteiligen.
Bogedain und auch Irene Wistuba (FDP) brachten zudem zum Ausdruck, dass sie sich an dem Begriff „Notstand“ stören. „Der Begriff des Notstandes kann insbesondere bei älteren Mitbürgern Angst und Sorgen auslösen, da er Maßnahmen bei aktuellen außergewöhnlichen, bedrohlichen und mit anderen Mitteln nicht mehr beherrschbare Situationen beschreibt“, sagte Bogedain. „Mit diesen Begriffen sollte man nicht leichtfertig umgehen, auch wenn sie nur symbolhaften Charakter haben.“ An dieser Symbolik störte sich Wistuba. Die FDP stehe dafür, sich auf konkrete Maßnahmen zu einigen. Diese sollten in einem Abwägungsprozess entwickelt werden, ohne Panik zu schüren. Von daher sei der Vorschlag der CDU der richtige Weg. Die FDP zog einen eigenen Antrag zurück.
Die Argumentation zum Notstandsbegriff ließ wiederum Lutz Strothmann (SPD) nicht gelten. „Am Begriff des Pflegenotstands hat sich von Ihnen noch niemand gestört“, sagte Strothmann, der im Hauptberuf Polizist ist.Günter Solecki betonte, dass Die Linke uneingeschränkt zur Unterstützung der „Fridays for Future“-Bewegung stehe. „Wir verfassen hier kein Gesetz“, sagte Solecki. Aber man bringe zum Ausdruck, dass man das Thema ernst nehme. „Wir müssen uns für den Klimaschutz einsetzen. Denn unsere Kinder und Enkel können sich nicht wehren.“
Ähnlich sah es Jeyaratnam Caniceus. Die Bewegung der jungen Klimaaktivisten sei das beste Mittel gegen Politikverdrossenheit. Die Ausrufung des Klimanotstands verleihe dem Problem eine große Aufmerksamkeit. Von daher sei es richtig, diesen zu unterstützen.
Insgesamt erlebten Politiker und Beobachter eine emotional aufgeladene Sitzung. Die Redebeiträge wurden häufig von Klatschen oder Buh-Rufen unterbrochen. Zu guter Letzt trat Michael Rumphorst in den Wahlkampf ein. CDU und FDP würden nur mit Ausreden argumentieren. Zu den jungen Besuchern im Saal sagte Rumphorst: „Schaut Euch die Vertreter dieser Parteien genau an. Und schaut Euch an, wen Ihr im nächsten Jahr nicht wählt.“