Einstimmig hat der Stadtrat am Dienstagabend den Haushalt 2023 verabschiedet. In ihren Haushaltsreden machten die Fraktionen allerdings deutlich, wo es klemmt. Und was sie in diesem Jahr von der Stadtverwaltung erwarten.
In Kempen soll es in diesem Jahr sichtbar voran gehen. Insgesamt sind rund 56 Millionen Euro für Investitionen vorgesehen, rund 26 Millionen Euro mehr, als die Kämmerei noch bei der Einbringung des Haushalts im Herbst angesetzt hatte. Zusätzliche Mittel sind unter anderem für die Stadtwerke vorgesehen, deren Eigenkapital die Stadt Kempen als Alleingesellschafterin um 10 Millionen Euro erhöhen will; hier steht der endgültige Beschluss noch aus. Auch für Grundstückskäufe will die Stadt mehr Geld einplanen. In seiner Sitzung am Dienstagabend ebnete der Stadtrat einstimmig den Weg dafür, als er den Haushalt 2023 verabschiedete. In den Haushaltsreden wurde aber auch deutlich, dass es an vielen Stellen in der Stadt eben nicht so voran geht wie erhofft.
Beispiel: das Gewerbegebiet an der Hülser Straße. Dort sei im vergangenen Jahr „keine einzige Aktivität sichtbar“ geworden, berichtete der CDU-Fraktionsvorsitzende Jochen Herbst: „Da muss die Frage erlaubt sein: Waren die Grundstücksvergaben richtig?“ FDP-Fraktionschef Bernhard Lommetz mahnte: „Die Stadt ist gefordert, die Initiative zu ergreifen, um diesen Umstand zu beenden.“ Weiteres Beispiel: das Baugebiet Kempener Westen. Das sei „nach wie vor unser Sorgenkind“, so Herbst: „Leider sind wir keinen Schritt weiter als letztes Jahr.“ Dass auch die neuen Altenheime dort noch nicht gebaut seien, bereite zusätzlich große Bauchschmerzen. Kempen brauche dringend eine weitere Kita und weitere Altenheime, betonte auch Georg Alsdorf von den Freien Wählern.
Klimaschutz, Verkehr, Mobilität – auch in diesen Feldern will die Politik in diesem Jahr Taten sehen. Im Bereich Mobilität sei „vorrangig das bereits einstimmig beschlossene Radverkehrskonzept zu nennen, das es im Jahr 2023 ernsthaft umzusetzen gilt“, forderte Joachim Straeten, Fraktionschef der Grünen, der auch die digitale Transformation der Verwaltung anmahnte, „statt lediglich einzelne Verwaltungsprozesse zu digitalisieren“. Das Konzept wäre ein „Meilenstein“, so Jeyaratnam Caniceus für die Fraktion ÖDP/Linke, wenn es in weiten Teilen umgesetzt würde: „Wir erwarten eine zügige, kontinuierliche Umsetzung.“
Wie die Kämmerei in ihrer Vorlage zur Sitzung ausführte, ist das geplante Defizit geringer als ursprünglich angenommen: Bei der Einbringung des Haushalts ging man noch von einem Fehlbetrag von 10,9 Millionen Euro aus, nach der Einarbeitung sämtlicher Änderungen ergab sich schließlich eine Verbesserung um 2,2 Millionen Euro, was das Defizit 2023 auf rund 8,7 Millionen Euro verringerte. Zur Deckung greift die Stadt in die Ausgleichsrücklage, die nach Prognosen der Kämmerei allerdings bis 2026 aufgebraucht sein wird. Danach müsste die Stadt auf die allgemeine Rücklage zugreifen. Kritisch zu betrachten sei die Entwicklung im Finanz- und Investitionshaushalt, so die Kämmerei. Denn die Investitionsausgaben sind hoch, sie belasteten über entsprechende Abschreibungen für Abnutzung und Kreditzinsen planerisch den Ergebnishaushalt, warnte Kämmerer Jörg Geulmann. Diese Problematik werde sich in den kommenden Jahren verschärfen. Dass die Mehrbedarfe im Finanzhaushalt über Kredite finanziert werden, kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Gareißen scharf: „Da sich die Kreditkosten erhöht haben und vielleicht noch weiter erhöhen werden, kann sich jeder ausrechnen, was auf die Stadt Kempen zukommen wird.“ Kämen dann noch die Kosten für Gesamtschule und Sportplätze hinzu, werde man große Augen machen. Joachim Straeten (Grüne) hingegen kritisierte wie schon in den vergangenen Jahren die Gestaltung des Haushaltsplanentwurfs selbst: Es könne nicht sein, dass immer wieder ein Defizit „versprochen“ werde, rückblickend das Jahresergebnis dann aber positiver ausfalle. Auch für 2022 rechnet er mit einem besseren Ergebnis. Das bedeute, „dass wir durchaus wünschenswerte Maßnahmen im Jahr 2023 angehen können, ohne ein schlechtes finanzielles Gewissen haben zu müssen.“