Die Ludwig-Jahn-Halle ist die größte Halle in Kempen. Deshalb habe man sie als Tagungsort für den Rat ausgewählt und nicht das kleinere Kolpinghaus, heißt es von der Stadt. In Kempen gibt es Zweifel, ob eine Sporthalle für eine Ratssitzung genutzt werden soll. In anderen Städten tagen die Gremien in großen Veranstaltungssälen. Die Fraktion ÖDP/Linke bringt eine andere Möglichkeit ins Spiel.
In Kempen geht die Debatte um die in der Ludwig-Jahn-Halle für Dienstag, 25. Januar, geplante Ratssitzung weiter. Für die Vor- und Nachbereitung der Sitzung ist die Halle für Schul- und Vereinssportler laut Stadt am Dienstag und Mittwoch nicht nutzbar, für die Schüler der weiterführenden Schulen fällt der Sportunterricht in der Halle deshalb aus. Vertreter von Eltern- und Schülerschaft sowie Schulleiter hatten das Vorgehen der Stadt in der vergangenen Woche kritisiert, mit den Grünen und den Freien Wählern hatte auch ein Teil der Politik einen anderen Tagungsort gefordert.
Die Stadtverwaltung wies die Kritik zurück: Bürgermeister Christoph Dellmans (parteilos) als Einladender habe die Dreifachturnhalle für die Ratssitzung gewählt, weil diese die größte Halle in Kempen sei, sie gewährleiste die höchstmögliche Sicherheit bei der Durchführung einer Ratssitzung unter Corona-Bedingungen. 52 Männer und Frauen gehören dem Kempener Stadtrat an, bei der Sitzung ebenfalls zugegen sein werden Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die mit dem Heimatpreis der Stadt zu Ehrenden sowie mögliche Zuschauer.
In anderen Kommunen werden derzeit ebenfalls möglichst große Hallen für Ratssitzungen genutzt – überwiegend sind es Veranstaltungssäle. In Grefrath etwa tagt der Rat mit 33 Mitgliedern am Dienstag, 25. Januar, in der Albert-Mooren-Halle, in Viersen findet die nächste Ratssitzung im Februar mit 54 Ratsmitgliedern in der Festhalle statt, in Nettetal kommt der Rat im März mit 50 Mitgliedern im Seerosensaal zusammen. In Willich hingegen nutzt der 52 Mitglieder zählende Stadtrat ebenfalls eine Sportstätte – die Jakob-Frantzen-Halle. Debatten wie in Kempen gebe es deshalb in Willich bislang nicht, berichtet Stadtsprecher Michael Pluschke auf Anfrage: „Obwohl wir seit Beginn der Pandemie alle Ratssitzungen in der Halle haben stattfinden lassen, hat es an der Nutzung dieser Halle und den damit zusammenhängenden Einschränkungen bislang keinerlei Kritik gegeben.“ Die Stadt nutze die Halle für die Ratssitzungen, „weil es de facto keine andere Räumlichkeit – außer anderen Sporthallen, die sich in Sachen Zugänglich- und Umbaubarkeit allerdings nicht so gut eignen – im Stadtgebiet gibt, die unter den gegebenen Umständen eine Sitzung in diesem großen Rahmen ermöglichen“, so Pluschke. Eine Reduzierung des Kreises der Ratsmitglieder oder Online-Tagungen des Rates, wozu der einladende Bürgermeister Christian Pakusch (CDU) bereit sei, seien nach den Landesvorschriften leider nicht möglich.
Für die Herrichtung der Sporthalle als Tagungsort ist der Aufwand in Willich ähnlich groß wie in Kempen. Unter anderem muss der Sporthallenboden mit Teppich belegt werden, damit er durch Stühle und Tische nicht beschädigt wird. Die Stadt Kempen hatte für den Auf- und Abbau von Mobiliar und Technik zwei Tage veranschlagt, in Willich rechnet man mit drei Tagen: „In der Regel wird am Vortag Teppich ausgelegt, danach wird das herangeschaffte und nicht vor Ort lagerbare Mobiliar aufgebaut“, erklärt Pluschke: „Am Tag der Sitzung selbst erfolgt der Aufbau der entsprechenden Tonanlage. Am Morgen nach der Sitzung beginnt sofort der Abbau; am Nachmittag oder Abend steht die Halle dann wieder den Sportvereinen zur Verfügung.“
Würde die Jakob-Frantzen-Halle nicht für die Ratssitzung am Mittwoch, 26. Januar, benötigt, würde es dort Schul- und Vereinssport geben, konkret würden das Berufskolleg und die Grundschule Willicher Heide die Halle nutzen. Das Team im Geschäftsbereich Schule bemühe sich dabei bislang erfolgreich, in Abstimmung mit dem Berufskolleg Ausweichmöglichkeiten an der Robert-Schuman-Europaschule zu schaffen, falls etwa dringende Unterrichtseinheiten zur Vorbereitung auf das Fachabitur anstünden, beschreibt Pluschke. „Natürlich herrscht bei den betroffenen Vereinen keine Begeisterung ob der Einschränkungen“, so der Stadtsprecher. Bislang habe es aber keine wirklichen Proteste gegeben, „weil die Notwendigkeit mit Blick auf die besonderen Umstände der Pandemie durchaus eingesehen wird.“ Das sei ein Entgegenkommen durch Schulen und Vereine, was der Rat und die Stadtverwaltung, allen voran Bürgermeister Pakusch, der die leider unvermeidbaren Einschränkungen für Schüler und Sportler sehr bedauere, sehr zu schätzen wüssten.
Die Fraktion ÖDP/Linke bringt für Kempen einen weiteren Vorschlag ins Spiel: Schon vor einem Jahr habe man angeregt, für die Ratssitzungen eine Industriehalle oder ähnliches anzumieten, teilten Fraktionsvorsitzender Jeyaratnam Caniceus und sein Stellvertreter Günter Solecki am Montag mit. Auch ohne Corona sei der Ratssaal im Rathaus zu klein, „daher muss eine saubere Dauerlösung her, die wir hiermit erneut anmahnen.“ Auch eine Open-Air-Ratssitzung auf einem Sportplatz könne man sich vorstellen: „Dauerhaft immer Turnhallen und Schulaulen, wie etwa das Forum St. Hubert, zu blockieren, habe wir vor einem Jahr schon in unserer E-Mail an den Bürgermeister für bedenklich gehalten“, so Caniceus und Solecki. Dass Schul- und Vereinssportler die Ludwig-Jahn-Halle nun für zwei Tage nicht nutzen könnten, sei unnötig, wenn die Verwaltung dem Anliegen gefolgt wäre und beispielsweise einen Hallenteil von De Beukelaer dauerhaft angemietet hätte. Für den Ausfall des Sportunterrichts seien aber weder Bürgermeister noch Ratsmitglieder verantwortlich: Der Bürgermeister habe den Sportstundenausfall mit der Hallensperrung nicht angeordnet. Wenn Schulen Sportstunden ausfallen ließen, zeichne dafür die Schulleitung verantwortlich.
INFO
Rat kann anderen Tagungsort festlegen
Tagungsort Eine spontane Änderung des Sitzungsorts ist laut Stadt rechtlich nicht möglich: Änderungen müssen bis drei Tage vor der Sitzung bekannt gegeben werden.
Beschluss Grundsätzlich sei es möglich, dass der Rat beschließe, an einem bestimmten Standort zu tagen oder eine bestimmte Halle nicht mehr zu nutzen, teilte Stadtsprecherin Johanna Muschalik-Jaskolka auf Anfrage mit. Dabei seien aber die rechtlichen Vorgaben für Sitzungen in Corona-Zeiten zu beachten.