Jeyaratnam Caniceus
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Ratsherr der Stadt Kempen

 

„Passt auf, dass ihr die Freiheit behaltet!“
von Westdeutsches Zeitung - Tobias Klingen/Foto: Lübke
08.05.18     Klicks:10356     A+ | a-
Tim Pröse berichtete den Schülern - Foto: Lübke
Tim Pröse berichtete den Schülern - Foto: Lübke
Autor und Journalist Tim Pröse las in der LvD-Aula aus seinem Buch „Jahrhundertzeugen“. Mit den Schicksalen von Widerstandskämpfern und Holocaust-Überlebenden brachte er die Schüler aus den neunten Klassen zum Nachdenken.

Wenn Schüler sich in eine Aula begeben, um einem Vortrag oder ähnlichem zu lauschen, ist es zunächst mal laut. Es wird gequatscht und auch immer wieder geäußert, dass man eigentlich gar keine Lust auf diesen langweiligen Vortrag hat. Das war am Freitagmorgen in der Aula des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums (LvD) nicht anders, als Autor Tim Pröse die Schüler der neunten Klasse begrüßte. Dem Journalisten aus München gelang es aber schnell, dass es mucksmäuschenstill wurde. Pröse las aus seinem Buch „Jahrhundertzeugen – Die letzten Helden gegen Hitler“, in dem er 18 Begegnungen mit Widerstandskämpfern und Holocaust-Überlebenden beziehungsweise deren Angehörigen beschreibt.

Die Stille trat sogleich ein, weil Pröse die Schüler gleich zu Beginn mit der „Hölle von Auschwitz“ konfrontierte. Er las aus dem Kapitel über den Künstler Jehuda Bacon, der als Kind und Jugendlicher diese Hölle überlebt hat. Als 14-Jähriger gehörte er zu den etwa 90 „Birkenau-Boys“. Allesamt Kinder und Jugendliche, die von den Nazis zur Arbeit in Gaskammern und Krematorien gezwungen worden waren.

„Wenn ich zurückhassen würde, dann hätte Hitler gewonnen.“
Jehuda Bacon, Künstler, der die Hölle von Auschwitz überlebt hat.


„Stellt Euch das mal vor“, unterbrach Pröse seinen Vortrag. „Als Jehuda Bacon etwa so alt wie Ihr war, musste er die Asche der Ermordeten mit einer Schubkarre wegfahren. Und im Winter wurden die Asche auf die Straßen gestreut.“ Der Journalist geht detailliert auf die Schicksale seiner Gesprächspartner im Buch ein. Mit sanfter Stimme spricht er über diese schlimmen Ereignisse. Genau damit erreicht er die Zuhörer in der Aula, bewegt die Schüler, bringt sie zum Nachdenken.

„Wenn ich zurückhassen würde, dann hätte Hitler gewonnen.“ Das hat Bacon auf die Frage Pröses geantwortet, warum er heute nicht so etwas wie Hass auf Deutschland und die Deutschen empfinden würde.

Tim Pröse ging noch auf zwei weitere Heldengeschichten aus seinem Buch ein. Auf die von Anne Frank und die der Geschwister Hans und Sophie Scholl. Pröse hat mit Hilfe der Schwester von Hans und Sophie, Inge Scholl, die letzten Tage und die Beerdigung der Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“ nachgezeichnet.

„Der Henker, der Sophie Scholl getötet hat, soll gesagt haben, dass er noch nie einen Menschen gesehen habe, der so mutig gestorben ist wie sie“, sagte Pröse zu den Schülern. „Und dieser Mann hat etwa 3000 Menschen geköpft.“ Wieder ein besonders stiller Moment in der Aula. Sophie Scholl habe in ihren Vernehmungen die Möglichkeit gehabt, ihre „Taten“ gegenüber den Nazis zu bereuen. „Dann wäre sie wohl mit dem Leben davon gekommen“, so Pröse. Voller Mut und fest in ihrem christlichen Glauben habe sie in der Vernehmung gesagt, dass sie gar nichts bereut.

Und dann geht der Autor noch auf eine Botschaft von Sophie Scholl ein, die ihre Schwester Inge erst viele Jahre später entdeckt hat. „Auf der Rückseite ihrer Anklageschrift hat Sophie Scholl wohl das für sie wichtigste Wort – den Kern ihres Widerstandskampfes – notiert: Freiheit.“

„Ihr seid frei“, rief Pröse den Neuntklässlern zu. „Bedenkt bitte, dass ihr frei in eurem Handeln seid. Ihr könnt den Beruf ergreifen, den Ihr möchtet. Ihr werdet zu nichts gezwungen.“ In Zeiten eines Erstarkens von rechtsradikalen Parteien mahnte der Journalist die jungen Menschen in der Aula aber auch, behutsam mit dieser Freiheit umzugehen und immer für diese einzustehen: „Passt auf, dass ihr die Freiheit behaltet!“


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